HM-HETZELMEDIA

Von       : H.HETZEL

Datum     : 9.3.2021

Niederlande/USA/Rassismus

Der umgekehrte Rassismus in den Niederlanden: Weiße Schriftstellerin Marieke Lucas Rijneveld darf Gedicht der farbigen Amerikanerin Amanda Gormans nicht ins Niederländische übersetzen

Von HELMUT HETZEL

Den Haag. Das ´´R-Wort´´ ist wieder in aller Munde. Nun, da die mit dem britischen Prinzen Harry verheirate Amerikanerin und Herzogin Meghan von Sussex in einem Interview mit der US-Talkshowmeisterin Oprah Winfrey Mitglieder der Familie des britischen Königshauses mit dem Rassismus-Vorwurf öffentlich an den Pranger gestellt hat, haussiert die Rassismus-Debatte in der ganzen Welt. Angeheizt wird sie noch dadurch, dass in den USA gleichzeitig der Prozess gegen den Polizisten Derek Chauvin, dem Polizeibeamten, dem der Tod des schwarzen US-Amerikaners George Floyd in Minneapolis zur Last gelegt wird, begonnen hat. Der Tod von George Floyd löste weltweit die ´´Black Lives Matter„ Bewegung aus.

 

Marieke Lucas Rijneveld – sowohl Frau als Mann – sagt sie über sich selbst

Rassismus-Vorwürfe

Gleichzeitig mit den Meghan-Rassismusvorwürfen an die königliche Familie, und dem möglicherweise rassistisch motivierten Totschlag – oder war es Mord? – an George Floyd findet in den Niederlanden ein anderer, ein umgekehrter Rassismus statt. Dort, im Land der Tulpen, das sich gerne als tolerant und liberal bezeichnet, darf eine junge weiße Autorin ein weltberühmtes Gedicht einer jungen schwarzen Amerikanerin nicht übersetzen. Es ist ein Literatur-Skandal, der inzwischen viele Wunden schlägt und viele Schlagzeilen macht.

Er rankt sich um die niederländische Schriftstellerin Marieke Lucas Rijneveld, Hautfarbe: weiß, und die amerikanische Dichterin Amanda Gormans, Hautfarbe: schwarz und deren berühmtes Gedicht ´´The Hill We Climb,´´ das Gormans während der Amtseinführung von US-Präsident George Biden vorgetragen hat. Die 30jährige weiße Niederländerin Rijneveld erhielt von dem Amsterdamer Verlag Meulenhoff den Auftrag, das Gedicht der 22jährigen Amanda Gormans ins Niederländische zu übersetzen.

 

Amanda Gormans

Amanda Gormans liest ihr Gedicht: The Hill We Climb während der Inauguration von Jos Biden als US-Präsident, Januar 2021

Der Meulenhoff-Verlag verkündete begeistert:  ´´Marieke Lucas Rijneveld ist die Traumlösung für diese Übersetzung.´´ Ende März sollte das inzwischen weltberühmte Gedicht ´´The Hill We Climb„ auf Niederländisch bei Meulenhoff erscheinen. Die weiße Autorin Rijneveld, die sich selbst als ´´weder Mann noch Frau„ bezeichnet und sich nicht mit ´´er„ oder ´´sie´´, sondern als ´´Wir´´ ansprechen lässt und daher den zweiten männlichen Vornamen Lucas wählte, verkündete die Nachricht stolz auf Twitter, dass sie ´´The Hill We Climb´´ übersetzen darf.

Umgekehrter Rassismus in Holland

Doch – früher hätte man gesagt: Die Tinte mit der diese Botschaft geschrieben wurde, war noch nicht trocken -, da brach in den sozialen Medien schon der Shitstorm gegen Rijneveld los. Was? Eine Weiße soll das Gedicht einer Schwarzen übersetzen, das geht ja gar nicht, so der Tenor. Rijneveld, 2020 für ihren in ins Englische übersetzten Roman: ´´The Discomfort of Evening´´ (Deutsch: Was man sät, Suhrkamp-Verlag, 2019) mit dem Internationalen Booker Prize ausgezeichnet,  wurde beschimpft und als ´´inkompetent´´ abqualifiziert.

 

In der Zeitung ´´de Volkskrant´´ legte Janice Deul, Hautfarbe: Schwarz, nach. Deul, die sich selbst ´´Kulturaktivistin´´ nennt, griff Rijneveld frontal an. Sie behauptet: Eine Frau, die das Gedicht von Amanda Gormans übersetze, müsse unbedingt schwarz sein. Schluss, aus basta. Weiße Menschen können das nicht. Weiße Männer schon gar nicht.

Janice Deul – nennt sich Kultur-Aktivistin

Das war zu viel für Marieke Lucas Rijneveld. Sie/Wir twitterte: ´´Ich bin schockiert über die Aufregung, um Amanda Gormans Botschaft zu übersetzen. Ich verstehe die Menschen, die sich verletzt fühlen, dass die Wahl von Meulenhoff auf mich fiel. Was ich möchte, ist, den Reichtum der Sprache, ihre Kraft, ihren Ton ihren Stil zu übersetzen.´´

 

Um diese beiden dreht sich der Kultur-Kampf – Amanda und Marieke

Damit nicht genug. Ebenfalls in der Zeitung ,,de Volkskrant´´ hielt Rijneveld ihren Kritikern und vor allem ihrer Kritikerin Janice Deul den Spiegel vor. Sie veröffentlichte ein Gedicht in der ´´Volkskrant´´ Titel:

´´Alles bewohnbar´´

Es beginnt in Niederländisch so:

Alles bewoonbaar

´´Nooit het verzet kwijtgeraakt, het oergewoel in lief en leed,

of toegegeven aan de kanselpreek, aan Het Woord over wat

goed of fout, nooit te lui geweest om op te staan, om tegen alle bullebakken in te gaan en met geheven vuisten de

hokjesgeest bevechten…´´

Frei übersetzt ins Deutsche:

´´Den Widerstand nie aufgegeben, den Ur-Streit zwischen Freud und Leid,

oder der Predigt von der Kanzel gehorchend, dem Wort darüber, was

Gut, was Böse ist, nie zu träge, aufzustehen, gegen alle

Unterdrücker ins Feld zu ziehen und mit erhobenen Fäusten die Engstirnigkeit

zu bekämpfen…´´

Diese Engstirnigkeit in Form eines umgekehrten Rassismus hat nun Einzug gehalten in den niederländischen Kulturbetrieb. Das ist traurig. Es gibt zu denken.

Und, wichtig zu wissen: Amanda Gormans ist  damit einverstanden gewesen, dass Marieke Lucas Rijneveld ihr Gedicht in Niederländische übersetzt.

 

Zur Person:

Marieke Lucas Rijneveld ist eine niederländische Schriftstellerin und Dichterin. Rijneveld gewann 2020 mit ihrem Debütroman The Discomfort of Evening den Internationalen Booker Prize.

Geboren: 20. April 1991 in Nieuwendijk, Niederlande

Ausbildung: Schrijversvakschool

Auszeichnungen: Man Booker International Prize

 

Links:

https://nzzas.nzz.ch/hintergrund/marieke-lucas-rijneveld-die-falsche-hautfarbe-fuer-ein-gedicht-ld.1605292

 

https://www.volkskrant.nl/cultuur-media/marieke-lucas-rijneveld-reageert-op-de-commotie-rond-de-vertaling-met-een-gedicht~bbb769af/?fbclid=IwAR2YhAF-m8ovhf_QiYps43KEiCNd2vDWqZqGnRtZqHiR9w2aRC2tssBTMkY&utm_campaign=shared_earned&utm_medium=social&utm_source=facebook

https://www.zeit.de/kultur/literatur/2020-10/marieke-lucas-rijneveld-was-man-saet-geschlechtsidentitaet

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Amtseinführung Joe Biden als Präsident der USA, Januar 2021

 

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