HM-HETZELMEDIA – Den Haag
Datum : 1.4.2019
Belgien/Wahlen
Ausgewechselt:
Belgisches Parlament bei Wahlen im Mai personell stark erneuert/Fast die Hälfte der heutigen Abgeordneten geht/Grüne und flämische Nationalisten werden zulegen, so die Demoskopen
Von HELMUT HETZEL
Brüssel. Belgien wählt. Im Mai wird im Königreich der Flamen und Wallonen ein neues Parlament und werden auch die belgischen Abgeordneten für das Europäische Parlament gewählt. Die Wahlen, die gleichzeitig am 26. Mai stattfinden sollen, werden aber vor allem das belgische Parlament personell grundlegend verändern. Denn rund die Hälfte der heutigen Volksvertreter tritt nicht mehr zur Wahl an. Die personelle Erneuerung des Parlaments ist – außer in Italien – nirgendwo größer als in Belgien. In anderen EU-Ländern liegt sie durchschnittlich zwischen 20 % und maximal 40 %. In Belgien bei fast 50 %. Darin gibt es Kritik. Sie lautet:
Personelle Erneuerung
,,Die hohe personelle Erneuerung des Parlamentes bringt die politische Kontinuität in Gefahr, weil viel politische Erfahrung mit einem Schlag verloren geht,‘‘ schreibt der Politologe Bart Maddens, der über das Thema promoviert hat, in der Brüsseler Zeitung ,,De Standaard.‘‘ In seiner Untersuchung hat der Politologe Maddens herausgefunden, dass die durchschnittliche personelle Erneuerung der EU-Parlamente nach Wahlen 35 % beträgt. ,,Belgien liegt strukturell weit darüber,‘‘ stellte er in seiner Doktorarbeit fest, in der er den personellen Wechsel in Parlamenten von acht europäischen Ländern langfristig analysierte. Vor allem in den Nachbarländern Belgiens wie Deutschland, Niederlande, Luxemburg und dem Vereinigten Königreich sei der personelle Wandel bei den Abgeordneten wesentlich geringer als im Königreich Belgien. ,,Die Gesetz gebende Macht (Legislative) muss schließlich die ausführende Macht (Exekutive) kontrollieren und wenn der Mandatswechsel in den Parlamenten so hoch ist, mangelt es häufig an politischer Erfahrung. Folge: Die gesetzgeberische Arbeit verlagert sich mehr und mehr aus dem Parlament heraus und wird externen Experten überlassen,‘‘ fand Maddens in seiner Studie heraus. Das korrespondiert mit einer Studie, die die Zeitung ,,De Standaard‘‘ in Auftrag gegeben hat. Auch daraus geht hervor, dass externe Spezialisten eine immer wichtigere Rolle beim Zustandekommen von Gesetzen in Belgien spielen. Das unterminiere langfristig die Demokratie. Außerdem: Neue, noch wenig erfahrene Abgeordnete könnten erfahrenen regierenden Politikern weniger Paroli bieten in öffentlichen Debatten. ,,Das führt langfristig zu einer ,,Particratie,‘‘ einer Parteienherrschaft,‘‘ behauptet der Politologe Maddens. ,,Zwischen 1945 und 1989 sind durchschnittlich nach Wahlen in Belgien nur 26 % der Mandatsträger ausgetauscht worden, nun, seit 1989 sind es in der Regel doppelt so viele.‘‘
Ein wichtiger Grund für die großen personellen Veränderungen unter den Abgeordneten im belgischen Parlament sei auch die sich stark verändernde Parteienlandschaft. ,,Die klassischen Volksparteien verloren viele Wähler. Neue Parteien wie etwa die N-VA (Neue Flämische Allianz) sind entstanden. Auch das forciert die personelle Veränderung im Parlament stark.‘‘
Grüne und flämische Nationalisten im Aufwind
Wie in anderen europäischen Ländern, etwa in Deutschland und der Schweiz, so befinden sich auch in Belgien die Grünen im Aufwind. Ihnen wird von den Demoskopen bei den Wahlen am 26. Mai ein kräftiger Stimmenzuwachs vorhergesagt, was wohl mit der aktuell überall heftig geführten Klima-Debatte zusammenhängt. Auch die flämischen Nationalisten, sowohl der radikal-flämische und ausländerfeindliche ,,Vlaams Belang‘‘ (VB) als auch die eine belgische Konföderation fordernde ,,Neue Flämische Allianz‘‘ (N-VA) liegen den Meinungsforschern zu Folge gut in der Wählergunst in Flandern, dem niederländisch-sprachigen Landesteil Belgiens. Im frankophonen Wallonien werden die Sozialisten (SP) den Prognosen zufolge voraussichtlich auch nach dem 26. Mai stärkste politische Kraft bleiben.
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