HM-HETZELMEDIA

Von       : H.HETZEL, Den Haag

Datum     : 29.7.2022

Die Haager Kolumne:

Niederlande/Eurozone/Inflation

EZB: Eine Blinde führt die Lahmen

Inflation in den Niederlanden im Juli 2022: 11,6 Prozent/In der Eurozone 8,9 %

Die Inflation galoppiert – EZB tut zu wenig, um sie zu bekämpfen/Wir werden alle ärmer/Inflation führt zum Umsatz-Paradox/Lohn-Preis-Spirale droht

Von HELMUT HETZEL

Den Haag. Die Inflation galoppiert. Sie ist in der Eurozone im Juli laut Eurostat, dem statistischen Zentralamt der EU, von 8,6 auf 8,9 Prozent gestiegen. In den Niederlanden ist sie von 9,9 Prozent im Juni auf 11,6 Prozent  im Juli geschnellt.

Aber: Die mit Abstand höchsten Inflationsraten im Juli 2022 haben mit mehr als 20 Prozent erneut die drei baltischen Staaten Estland: 22 Prozent, Lettland: 21 Prozent und Litauen: 20,8 Prozent.

Das sind Alarmsignale, die die Europäische Zentralbank EZB endlich wahrnehmen und sie handeln lassen muss.

Laut Eurostat stiegen die Preise in Deutschland im Juli  2022 um 8,5 Prozent, in Österreich mit 8,7 %.

Relativ niedrig aber immer noch viel zu hoch ist die Inflationsrate in Frankreich: 6,8 Prozent, in Finnland: 7,9 Prozent und in Italien: 8,4 Prozent.

Nur das Nicht-Euro-Land Schweiz steht mit einer relativ niedrigen Inflationsrate von 3,4 % noch gut da. Aber auch die Schweizer Nationalbank hat die Zinsen bereits um 0,5 Prozent erhöht – und das, noch bevor die EZB handelte.

Die Inflation im Euro-Raum steigt rasant

 

Eurozone - Inflationsrate nach Monaten bis Juni 2022 | Statista

 

Getrieben wurde die Teuerung erneut durch die wegen des Krieges in der Ukraine ständig steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreise sowie dem durch die Corona-Pandemie verursachten Ausfall von Lieferketten. Das sorgt für Knappheit am Markt. Und wenn Waren knapp werden und die Nachfrage steigt, steigen auch die Preise. Fest steht: Wir werden alle ärmer durch diese hohe Inflation.

In den USA, wo die Inflationsrate ebenfalls zweistellig zu werden drohte, hat die Zentralbank FED beherzt gehandelt und die Zinsen nun bereits zweimal in Folge in diesem Jahr um je 0,75 Prozent auf einen Zinssatz von jetzt 2,5 Prozent erhöht.

Aber die europäische EZB zaudert und zögert. Sie konnte sich erst spät, erst im Juli, zu einer mageren Anhebung des Zinses von 0,50 Prozent durchringen, sodass der Zinssatz für Einlagen der Banken bei der EZB in der Eurozone nun 0,0 Prozent beträgt. Vor der Zinserhöhung lag er bei minus 0,5 %.

Folge: Der Euro bekommt die Schwindsucht. Der Wechselkurs des Euro fällt und fällt und fällt. Gegenüber dem Dollar ist er jetzt schon auf Parität. Innerhalb eines Jahres hat der Euro gegenüber dem US-Dollar 14,28 % verloren.

Weiteres Beispiel: Ein Schweizer Franken ist jetzt mehr wert als ein Euro. Für einen Franken aus der Schweiz bekommt man bei manchen Banken der Eidgenossenschaft schon 1,04 Euro. Oder umgekehrt formuliert: Für einen Euro bekommt man nur noch 0,96 Schweizer Franken.

Vor einem Jahr war das noch ganz anders. Da bekam man für einen Euro noch 1,10 Schweizer Franken. Wertverlust des Euro gegenüber dem Franken innerhalb eines Jahres rund 13 %.

Der Schweizer Franken – hart wie das Granit der Schweizer Berge

Die monetäre Politik der EZB, die 15 Jahre lang den Markt mit Euro flutete und für Billionen von Euro Staatsanleihen von den hochverschuldeten Eurozonenländern Italien, Spanien, Griechenland, Portugal, aufkaufte, damit diese Länder noch weiter Schulden machen konnten, droht den Euro zu einer Weichwährung werden zu lassen. Er droht so weich zu werden wie ein französischer Camembert. Will das die französische EZB-Chefin Christine Lagarde?

 

 Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank EZB. Der Schrecken über die hohe Inflation in der Eurozone ist ihr ins Gesicht geschrieben – aber sie handelt nicht, schließt die Augen, statt die Inflation zu bekämpfen

Angesichts der horrenden Preissteigerungen in der Eurozone ist die zögerliche und zaudernde monetäre Politik der EZB, um die Inflation wirkungsvoll zu bekämpfen, völlig unverständlich. Es drängt sich geradezu der Eindruck auf, als würde bei der EZB eine Blinde die Lahmen führen. Oder anders formuliert. Die EZB will die hohe Inflation nicht sehen und nicht entsprechend handeln. Sie bricht damit das EZB-Statut. Denn darin steht klipp und klar: Oberste Aufgabe der EZB ist der Erhalt der Preisstabilität – also die Bekämpfung der Inflation. Das aber tut die EZB nicht. Zumindest bisher nicht.

Beispiel Niederlande – Folgen der Inflation:

Die hohe zweistellige Inflation in Holland bringt immer mehr Haushalte in finanzielle Probleme. Rund 1,2 Mio. Haushalte in den Niederlanden können mit dem ihnen monatlich zur Verfügung stehenden Geld nicht mehr über die Runden kommen, hat das regierungsamtliche Wirtschaftsinstitut Centraal Planbureau (CPB) bekannt gegeben. Das sind 15 Prozent aller Haushalte in den Niederlanden, die nun in der Inflationsfalle sitzen. Das ist in anderen Ländern der Eurozone nicht viel anders.

Aber die Europäische Zentralbank EZB schaut dem schrecklichen Inflationsspuk nahezu tatenlos zu.

 

Die Europäische Zentralbank EZB im Ostend vor der Skyline von Frankfurt am Main 

Die Verbraucher beginnen zu sparen, weil fast alles teurer wird und weil viele sich manche Waren einfach nicht mehr leisten können – zu teuer.

Das Umsatz-Paradox

Das alles führt zum Umsatz-Paradox im Einzelhandel. Während in den Niederlanden das Verkaufsvolumen im Einzelhandel im vergangenen Monat um 6,3 Prozent sank, stiegen die Umsätze der Einzelhändler um 0,7 Prozent – dank der  hohen Inflation von 11,6 Prozent.

Lohn-Preis-Spirale droht

Die Arbeitnehmer wollen nun mehr Geld.

Bei der deutschen Fluglinie Lufthansa wird gestreikt und von der Gewerkschaft Verdi wird eine Lohnerhöhung von 9,5 % gefordert.

Die Lohn-Preis-Spirale droht. Sollte sie kommen, wird sich die Inflation noch weiter beschleunigen. Die EZB-Banker und ihre Chefin, die Französin Christine Lagarde, sollten endlich aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen, bevor es zu spät ist.

Vielleicht ist die hohe Inflation aber sogar gewollt. Denn sie bringt nicht nur die kalte Enteignung der Bürger und Sparer. Die hohe Inflation verringert auch die Schulden der Defizitländer wie Italien, Griechenland, Spanien, Frankreich und Portugal drastisch.

 

Hyperinflation in Deutschland 1923 – Geldschein von fünf Billionen Reichsmark

´´Fällt die EZB als Käufer der Staatsanleihen aus, so die Logik, werden die Staatsschuldenprobleme Italiens wieder akut, ist doch die Verschuldung des italienischen Staates seit 2019 um 35 Prozentpunkte auf 172 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegen,´´ schreibt die deutsche Wirtschaftszeitung ´´Handelsblatt.´´

Ergo: Dann muss die Inflation diese hohen Staatsschulden tilgen, denn Italien hat keine eigene Währung mehr und kann diese nicht abwerten, so wie früher, als Italien noch die Lira hatte, die regelmäßig abgewertet wurde. Nun muss es die Inflation richten – und alle in der Eurozone leiden darunter, weil die EZB die Inflation nicht entschlossen genug bekämpft und anstatt Stabilitätspolitik Schulden- und Inflationspolitik betreibt, damit Staaten wie Italien nicht pleite gehen.

 

Die Französin und EZB-Präsidentin Christine Lagarde droht den Euro so weich zu machen wie einen französischen Camembert

Links:

https://www.hetzelmedia.com/der-euro-hat-die-schwindsucht-inflation-galoppiert/

https://www.nzz.ch/wirtschaft/die-preise-steigen-und-steigen-wie-inflation-und-der-klimawandel-der-swiss-re-und-letztlich-der-ganzen-welt-zu-schaffen-machen-ld.1695769

https://www.focus.de/finanzen/boerse/konjunktur/studie-skizziert-teuerungsszenarien-alles-wird-teurer-und-im-schlimmsten-fall-hat-die-inflation-den-hoehepunkt-noch-nicht-erreicht_id_79064535.html

https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/themen/inflation-lehren-aus-der-geschichte-614516

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