HM-HETZELMEDIA
Von : H.HETZEL, Den Haag
Datum : 21.1.2024
Niederlande/Geschichte
(English Translation see below)
Die Politisierung der Muskatnuss
Eine „Muskatnuss-Straße“ darf es in Amsterdam nicht geben
Von HELMUT HETZEL
Amsterdam. Im Amsterdamer Stadtteil West wird ein neues Wohnviertel gebaut. Es ist bald fertig und soll mit dazu beitragen, dass die große Wohnungsnot in Amsterdam etwas abnimmt. Das neue Stadtviertel heißt: „Marktkwartier West.“ (Marktviertel West). Wie in den Niederlanden üblich, sollen die Straßennamen eines Stadtviertels etwas Verbindendes, etwas Gemeinsames haben. So gibt es beispielsweise in vielen niederländischen Städten eine „Revierenbuurt“ – ein Stadtviertel in dem alle Straßennamen nach Flüssen benannt worden sind. Oder wie etwa in Den Haag, die „Vogelwijk.“ Dort tragen alle Straßen die Namen von Vögeln.
Im neuen Amsterdamer Stadtteil „Marktkwartier West“ kam der Teilstadtrat auf die Idee, die Straßen nach Gewürzen zu benennen. Es sollte eine Safran-Straße, eine Ingwer-Straße, eine Petersilien-Kade und auch eine Muskatnuss-Straße geben. Alles beliebte Gewürze, die auch in den Küchen und in den Restaurants der Niederlande gerne verwendet werden und einem Essen den typisch kulinarischen Geschmack für ein bestimmtes Gericht verleihen. Eine Brise Muskatnuss auf dem Rosenkohl oder dem Kartoffel-Purre kann ein Gaumenkitzel sein, finden viele Feinschmecker. Denn das schmeckt einfach gut. Aber der Name „Muskatnuss-Straße“ schmeckt so manchen woke-seelingen links-grünen Stadträten in Amsterdam gar nicht. Sie schafften es, den Stadteilrat Amsterdam West mit ihrer Forderung, den Namen „Muskatnuss-Straße“ aus dem Namenskatalog des neuen Gewürz-Viertels in Amsterdam streichen zu lassen, mehrheitlich zu überzeugen. Begründung: Der Name „Muskatnuss-Straße“ erinnere zu sehr an die koloniale Vergangenheit der Niederlande. Eine „Muskatnuss-Straße“ soll es daher nicht geben. Anstatt Muskatnuss-Straße soll die Straße nun Meerrettich-Straße heißen.
Überreaktion
„Das ist eine typische Überreaktion,“ kritisiert der Amsterdamer Historiker Coen de Jong den Beschluss des Stadtteilrates West. „Durch die Jahre lange Debatte über die kolonialeVergangenheit der Niederlande wird nun auch noch die Muskatnuss politisiert. Wäre es nicht so traurig, könnte man darüber lachen,“ so der Historiker de Jong. „Das alles ist absurd.“
„Die leckere Muskatnuss auf ihre Vergangenheit als Handelsware zu reduzieren, das ist grotesk,“ empört sich Stadtrat Rogier Havelaar von den oppositionellen Christdemokraten CDA.
Wilde Woke-Attacke – und die Geschichte – Die VOC
Die wilde Woke-Attacke gegen die Muskatnuss-Straße hat folgenden Hintergrund:
Die Niederlande waren im 17. Jahrhundert eine Weltmacht. Die 1602 gegründete Vereinigte Ostindische Kompanie (Vereenigde Oostindische Compagnie VOC), die erste Aktiengesellschaft der Welt, beherrschte mit ihren mehr als 4000 Schiffen die Weltmeere. Die VOC und dessen Schwesterunternehmen, die WIC (Westindische Compagnie), trieben regen Handel, in Asien, Süd- und Nordamerika und Südafrika. In Asien beherrschten die Niederlande und die VOC über 350 Jahre lang das heutige Indonesien als ihre Kolonie. Sie nannten das mehr als 20.000 Inseln zählende Archipel „Nederlands-Indie.“ Viele beliebte Gewürze, auch die Muskatnuss, wachsen in Indonesien, insbesondere auf den Molukken und den dortigen Banda-Inseln, den Gewürz-Inseln.
Molukken und Banda: Die Gewürzinseln von Indonesien
Der damalige „Gouverneur“ – heute würde man sagen „Chief Executive Officer CEO – der VOC Jan Pieterszoon Coen, forderte von den Bandanesen damals das Monopol auf den Handel mit Muskatnüssen, die auf den Banda-Inseln wachsen. Die Bandanesen weigerten sich aber, den Holländern dieses Monopol zu gewähren. Sie wollten auch mit den Briten weiter Handel treiben und Muskatnüsse auch an die Engländer verkaufen.
1609 töteten die Bandanesen eine Verhandlungs-Delegation von 46 Holländern unter der Führung von Pieter Verhoeven.
VOC-Chef Jan Pieterszoon Coen nahm grausam Rache.
Er schickte aus Batavia, dem heutigen Jakarta, 1620 rund 50 Schiffe mit mehr als zweitausend Matrosen und Soldaten an Bord zu den Banda-Inseln. Sie richteten unter den Bandanesen ein Massaker an und verschleppten viele Frauen, Kinder und Männer von den Banda-Inseln nach Batavia.
Soweit der historische Hintergrund zum heutigen Polit-Streit um die Muskatnuss.
Nun hat sich der Streit um die Muskatnuss-Straße vom Stadtteilrat West in den Amsterdamer Stadtrat verlagert. Die Amsterdamer Bürgermeisterin Femke Halsema, eine Grüne, ist nun gefordert. Auch ihr scheint die Politisierung der Muskatnuss zu weit zu gehen. In einer ersten Debatte im Amsterdamer Stadtrat um die Muskatnuss-Straße im neuen Stadtteil „Marktkwartier West“ sagte sie: „Ich verwende gerne und sehr oft die Muskatnuss beim Kochen. Ich habe nicht die Absicht, das zu ändern.“
Dann ließ sie durchschimmern, dass man die Entscheidung des Stadtteilrats West, die Muskatnuss-Straße zu verbieten, möglicherweise noch korrigieren werde. „Es wurden noch keine definitiven Adressen für die Straßennamen im Stadtteil West zugewiesen,“ stellte sie fest. Mög
licherweise wird es im neuen Amsterdamer Stadtteil „Marktkwartier West“ doch noch eine Muskatnuss-Straße geben. Das würde nicht nur so manchem Koch Freude bereiten.
Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Indonesien
https://de.wikipedia.org/wiki/Banda-Inseln
https://de.wikipedia.org/wiki/Muskatnussbaum
https://www.nzz.ch/international/indonesien-erhaelt-neue-hauptstadt-weil-jakarta-absaeuft-ld.1668832
www.helmuthetzel.com
www.hetzelmedia.com
www.haagsche-salon.com
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