Der Realpolitiker Geert Wilders hat sich gehäutet/Auch seine fundamentale EU-Kritik ist im Gefrierschrank/Ebenso die radikale Islamkritik/Aber noch immer ein enger Freund von Viktor Orban
Von HELMUT HETZEL
Den Haag. Man kann von Geert Wilders denken, was man will, aber eins hat der 60jährige Wilders in den letzten sechs Monaten nach seinem triumphalen Wahlsieg vom 22. November 2023 bewiesen: Er ist ein Realpolitiker. Er will an die Macht. Er will gestalten. Da er und die von ihm gegründete und geführte Ein-Mann-„Partei für die Freiheit PVV“ drei Koalitionspartner brauchte, um eine Regierung in Den Haag zu formieren, hat sich Wilders vom Saulus zum Paulus gewandelt. Unter dem Druck der drei anderen Koalitionspartner, die er für eine Parlamentsmehrheit brauchte, gab Wilders eine seiner radikalen Positionen nach der anderen auf. Zuerst die seiner Islamkritik. Moscheen schließen und den Koran verbieten, das wollte Wilders plötzlich nicht mehr, weil seine potenziellen Koalitionspartner ihm klipp und klar sagten: Das ist verfassungswidrig.
Kein Nexit
Die nächsten und dicksten Kröten schluckte Wilders dann in der Europa-Politik. Er, der immer lauthals den Austritt der Niederlande aus der Europäischen Union (EU) und aus der Eurozone forderte, gab diese Forderungen auf. Denn die drei anderen Parteien, die er zum Regieren brauchte, sagten auch dazu klipp und klar: Mit uns nicht. Kein Austritt aus der EU. Kein Austritt aus der Eurozone. Das wäre der wirtschaftliche Ruin für die Exportnation Niederland. Wilders gab klein bei. Das ist für ihn nun kein Thema mehr. „Ich lege das alles in den Gefrierschrank,“ so Wilders wörtlich. Aber, so meinen Kritiker, man kann das im Gefrierschrank Eingefrorene bei Bedarf auch wieder auftauen.
Geert Wilders – Gründer und einziges Mitglied der „Partij voor de Vrijheid PVV“
Nur in einer Sache blieb Wilders – mit Unterstützung seiner drei rechtskonservativen Koalitionspartner – gegenüber der EU hart: In der Migrations- und der Asylpolitik. Die will Wilders mit dem neuen rechtskonservativen Koalitions-Kabinett wieder selbst und national gestalten. Holland will den Alleingang in der Asyl- und Migrationspolitik.
Asyl-Notstand und Opting-out bei der EU
Es will die härteste Asylpolitik einführen, die es in der EU gibt. Um diese realisieren zu können, will die neue rechts-konservative Haager Regierung bei der EU in Brüssel eine Opting-out Klausel durchsetzen, so wie das die Briten früher immer taten, als sie noch EU-Mitglied waren. Das heißt: Die Niederlande wollen die EU-Migrationspolitik künftig nicht mehr übernehmen und schon gar nicht mehr unterstützen. Es soll in den Niederlanden der Asyl-Notstand ausgerufen werden.
Der sieht folgendermaßen aus:
Der Rechtschutz für Asylanten wird eingeschränkt. Finanzielle Zuwendungen für Asylanten werden gekürzt. Das Recht auf Unterkunft soll eingeschränkt und die Asylunterbringung stark vereinfacht werden. Abgelehnte Asylbewerber sollen rigoros abgeschoben werden, sogar mit Gewalt.
Asylbewerber können, wenn sie erstinstanzlich per Gerichtsentscheid abgewiesen worden sind, dagegen keine Berufung mehr einlegen.
WELT TV-Live zur Asylverschärfung in den Niederlanden 17-05-2024 mit Moderatorin Jele Würzbach
WELT-TV 17-05-2024 – meine Analyse zur neuen niederländischen Asylpolitik live
Schengener Abkommen respektiert
Das Schengener Abkommen über den freien Personen- und Güterverkehr in der EU wird respektiert, aber im Rahmen das Schengen-Vertrages sollen die Grenzkontrollen verschärft werden. Es sollen verstärkt mobile Kontrollen kurz hinter der Grenze zu Deutschland und Belgien auf niederländischem Territorium stattfinden. Illegale Migranten, die dort angetroffen werden, sollen direkt zurück nach Deutschland und nach Belgien gebracht werden.
Enge Bande zu Ungarn – Unterstützung der Ukraine
Geert Wilders, der mit einer Ungarin verheiratet ist und ein freundschaftliches Verhältnis zum ungarischen Premierminister und EU-Kritiker Viktor Orban hat, stellt sich inzwischen auch voll hinter die Nato und hinter die Ukraine. Im vorliegenden Koalitionsvertrag steht beispielsweise, dass die Niederlande die Verteidigungsausgaben auf 2,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts BIP hochfahren werden, so wie mit der Nato abgesprochen. Derzeit liegen sie bei etwa 1,8 % des BIP. Auch will die neue Haager Regierung die der Ukraine versprochen 25 F-16-Kampfjets noch in diesem Sommer liefern. Das hatte die noch geschäftsführend amtierende Haager Mitte-Rechts-Regierung unter dem scheidenden Ministerpräsidenten Mark Rutte der Ukraine fest zugesagt. Dabei bleibt es. Schließlich will Mark Rutte neuer Nato-Generalsekretär werden. Wilders und Rutte kennen sich gut und schätzen einander sehr bei aller politischen Rivalität. Als Wilders noch Mitglied in der rechtsliberalen VVD von Mark Rutte war, war er dessen Mentor, als der junge heute 57jährige Rutte 2003 ins Haager Parlament als VVD-Abgeordneter gewählt wurde.
Es wird unter der neuen rechts-konservativen Haager Regierung in der die Wilders-Partei PVV die größte ist, keinen Schmusekurs gegenüber Putin und Russland geben. Das steht zumindest so im Koalitionsvertrag. Die Ukraine wird weiter unterstützt, finanziell, humanitär und mit Waffen.
Titel des „Algemeen Daglblad“ am 23.11.2023 nach dem haushohen Wahlsieg der PVV bei der Wahl am 22.11.2023
WELT TV Deutschland – live – meine Analyse zur geplanten neuen Asylpolitik
am 17. Mai 2024, 10.40 Uhr
Teil zwei meiner Analyse
Wer wird neuer Ministerpräsident? Ronald Plasterk ?
HM-HETZELMEDIA
Von : H.HETZEL, Den Haag
Datum : 16.5.2024
Niederlande/Regierungsbildung/Ronald Plasterk
Ronald Plasterk ante portas/Ein rechter Sozialdemokrat wird voraussichtlich Ministerpräsident einer stramm rechts-konservativen Regierung in Den Haag
Von HELMUT HETZEL
Den Haag. Geert Wilders wirkt froh. Er ist entspannt, gelassen. Man spürt förmlich seinen Stolz, als er sagt: „In den Niederlanden wird die Sonne wieder scheinen. Es wird ein anderer Wind wehen in diesem Land. Wir werden wieder stolz sein können auf unser Land. Die PVV ist von der größten Oppositionspartei nun zur größten Regierungspartei geworden.“
Nur, seinen Traum, Ministerpräsident zu werden, den kann sich Wilders nicht erfüllen. Der 60jährige Rechtspopulist und Islamkritiker Wilders war für die übrigen drei Parteien der neuen stramm rechts-konservativen Koalition in Den Haag nicht konsensfähig, obwohl er viele seiner radikalen Ansichten zum Islam oder zur EU – wie etwa den Austritt aus EU und Eurozone – „im Kühlschrank“ eingefroren hat, wie Wilders selbst sagt. Wer aber soll Regierungschef der neuen stramm rechts-konservativen Haager Regierungskoalition werden, die spätestens in fünf Wochen antreten will?
In Den Haag pfeifen es die Spatzen schon von den Dächern: Ronald Plasterk ist der Mann, der als Regierungschef und Kompromiss-Kandidat die neue rechtskonservative Regierung in Den Haag führen soll.
Ronald Plasterk (67) – möglicherweise nächster Premierminister der Niederlande
Der 67jährige rechte Sozialdemokrat Pasterk war von 2012 bis 2017 Innenminister im Kabinett des scheidenden Premierministers Mark Rutte (VVD). Zwischen 2007 und 2010 war er Minister für Wissenschaft, Kultur und Bildung.
Er hat also Regierungserfahrung. Er ist ehrgeizig. Er hat ein großes Ego. Er ging in die Politik, um zu gestalten. Er will im Rampenlicht stehen und er genießt es, im Rampenlicht zu stehen.
Plasterk ist der ideale Kompromisskandidat für das Amt des niederländischen Regierungschefs, das Wilders nicht selbst besetzen kann. Er wird, sollte er tatsächliche ins „runde Türmchen, het Torentje,“ wie Niederländer das Büro des Premierministers im Regierungsviertel nennen, das gerade renoviert wird, wohl ein Premierminister „unter“ Geert Wilders sein. Denn Wilders kann und wird als PVV-Fraktionsvorsitzender im Haager Parlament und Chef der größten Regierungspartei, deren einziges Mitglied er ist, vom Parlament aus die Fäden ziehen. Außerdem: Plasterk wird, wenn er die rechts-konservative Vierparteien-Koalition als Premierminister leiten sollte, wohl aus seiner Partei, der sozialdemokratischen PvdA, austreten müssen. Oder aber er muss mit einem Parteiausschlussverfahren rechnen. Denn der Chef der neuen grün-linken Parteienkoalition PvdA-GL, Frans Timmermans, hat bereits angekündigt, eine „knallharte“ Opposition gegen die neue rechts-konservative Haager Regierung zu führen. Plasterk kann also schlecht als Ministerpräsident gegen seine eigene Partei regieren, in der sich ohnehin schon längst nicht mehr heimisch fühlt, seit sie immer linker und immer grüner geworden ist.
Erfolgreicher Wissenschaftler
Ronald Plasterk ist vor allem ein erfolgreicher Wissenschaftler. Er ist aber auch Journalist und nur noch auf dem Papier ein Sozialdemokrat. Er gehört der PvdA seit 46 Jahren an. Seine vielgelesenen Kolumnen, die er zuletzt in der größten konservativ-liberalen Zeitung des Landes „De Telegraaf“ publizierte, lösten häufig neue Debatten aus.
Er studierte Biologie an der Universität in Leiden, wo er 1981 seinen Master mit Auszeichnung abschloss. Es folgte ein zweites Studium, Wirtschaftswissenschaften an der Universität Amsterdam.
Ronald Plasterk war von 1981 bis 1984 wissenschaftlicher Mitarbeiter am biomedizinischen Institut der Universität Leiden. Hier promovierte er 1984. Thema seiner Doktorarbeit: „Die genetische Erforschung des Plattwurms.“
Nach seiner Promotion forschte Plasterk am California Institute of Technology in Pasadena, USA. Sein Forschungsgebiet: Die DNA-Transposition beim Parasiten.
Dann wechselte er ins Vereinigte Königreich. In Großbritannien arbeitete Plasterk am „MRC Laboratory of Molecular Biology“ in Cambridge zusammen mit dem britischen Nobelpreisträger John Edward Sulston. Sie forschten gemeinsam über den Fadenwurm.
Von 1987 bis 2000 arbeitete Plasterk als Wissenschaftler an der Amsterdam Oncology Research School des Niederländischen Krebsinstituts in Amsterdam.
Er wurde Direktor des Forschungsinstituts und außerordentlicher Professor für molekulare Mikrobiologie an der Freien Universität von Amsterdam sowie Professor für Molekulargenetik an der Universität Amsterdam (UvA). Von Februar 2000 bis Februar 2007 war er Direktor des Hubrecht-Instituts und Professor für Entwicklungsgenetik an der Universität Utrecht.
Seit September 2018 ist er Professor für „Neuartige Strategien für den Zugang zu Therapeutika“ an der Medizinischen Fakultät der Universität Amsterdam (AUMC).
Uni Amsterdam untersucht Verhalten von Plasterk
Allerdings: Das „Amsterdam Universitair Medisch Centrum (AUMC)“ hat eine Untersuchung gegen Plasterk eingeleitet, berichtet die Zeitung „NRC Handelsblad.“ Demnach soll Plasterk „wissenschaftliche Erkenntnisse und Forschungsergebnisse des AUMC in der Krebsforschung“ als Patente auf seinen Namen haben schützen lassen. Er soll mit diesen Patenten Millionen verdient haben. Die Untersuchungen des AUMC laufen noch. Sie könnten für Plasterk gefährlich werden, sollte er Ministerpräsident sein. Sie werfen aber jetzt schon einen Schatten auf Plasterk, der als Wissenschaftler und als Journalist brillant ist und dessen Arbeitenn an den Universitäten fast immer mit „summa cum laude“ bewertet wurde, der aber auch weiß, wie man viel Geld verdienen kann. Mit Geert Wilders verbindet ihn eine enge Freundschaft, so eng, dass die beiden sogar zusammen auf der niederländischen Karibik-Insel Bonaire ihren letzten Urlaub verbrachten. Dort besitzt Plasterk ein Haus.