HM-HETZELMEDIA
Datum : 6.4.2020
Niederlande/Corona-Krise/Tulpen
Corona-Krise: Tulpen tragen Trauer
Triste Tulpenblüte in Holland anno 2020: Keine Käufer, keine Touristen, keine Frühlingsfreude, Kein Keukenhof
Von HELMUT HETZEL
Den Haag. Es ist menschenleer. In Den Haag. Am Strand in Scheveningen. Fast autofrei die Fahrbahnen auf den Autobahnen, fast wie in der Ölkrise, 1973. Keine kilometerlangen Staus zwischen Den Haag und Haarlem vor dem niederländischen Blumenparadies Keukenhof in Lisse. Der Keukenhof ist geschlossen. Nur draußen auf den Feldern verwandeln die Tulpen auch in diesem Frühling Holland wieder in ein Farbenparadies. Mit traumhaften Temperaturen von über 20 Grad Celsius, strahlendem Sonnenschein und dem wärmsten Frühlingsbeginn in den Niederlanden seit 1906.
Normalerweise würde es jetzt hier in Holland brodeln. Kurz vor Ostern bei diesem Kaiserwetter wären massenhaft Touristen hier. Vor allem aus Deutschland, den südlichen Nachbarländern Belgien und Luxemburg, aus Großbritannien, aus den USA, aus China, aus aller Welt. Normalerweise. Aber in diesem Frühling anno 2020 ist gar nichts mehr normal. Es ist eher surrealistisch, ja manchmal gespenstisch. Die Stille. Sie kann sehr schön sein. Und sie kann nerven, weil die Cafés und Restaurants, die Museen, die Frisöre, weil fast alles geschlossen ist. Der Strand ist ,,nackt‘‘ so ohne Menschen. Denn die Stille hat auch ihre Kehrseite. Das ist die Trauer. In Holland tragen jetzt trotz Sonne und Wärme die Tulpen Trauer. Und die Tulpenzüchter, die gesamte Branche der niederländischen Zierpflanzen-Industrie trägt Trauer. Ihr droht der finanzielle Kollaps.
Niemand will noch Tulpen kaufen
Auf der größten Blumen- und Pflanzenversteigerung der Welt, der Royal Flora Holland, in Aalsmeer bei Amsterdam, sind die Preise für Tulpen aus Holland und andere Blumensorten inzwischen um rund 80 Prozent eingebrochen, weil es kaum noch Nachfrage gibt, zumindest nicht aus dem Ausland. Der niederländische Blumen- und Pflanzensektor mit seinen rund 150.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 7,0 Mrd. Euro bangt um seine Existenz. Denn da der internationale Flugverkehr weitgehend zum Erliegen gekommen ist und Airlines wie die KLM oder die Lufthansa und deren Töchter Swiss und Austrian Airlines nur noch etwa fünf Prozent ihrer normalen Flüge ausführen, können keine Tulpen aus Amsterdam mehr nach New York, oder nach London, nach Sydney, nach Berlin oder nach Wien, nach Luxemburg oder nach Zürich geflogen werden. Die ,,Blumenbomber‘‘ wie die mit Tulpen aus Amsterdam und anderen blühenden Pflanzen prall gefüllten Frachtflugzeuge genannt werden, die normalerweise täglich von Amsterdam Airport aus starten, sie heben nicht mehr ab.
,,Die Krise kommt zudem zum ungünstigsten Moment. Denn gerade jetzt im Frühjahr haben wir die berühmte Tulpenblüte, haben wir Hochkonjunktur. Außerdem wird jetzt in dieser Periode in vielen Ländern der Muttertag begangen. Der bescherte uns bisher immer große Umsätze. Ostern steht vor der Tür. In diesem Jahr ist alles anders,‘‘ seufzt Steven van Schilfgaarde von der Royal Flora Nederland. ,,Normalerweise machen wir in dieser Periode wöchentlich einen Umsatz zwischen 150 Mio. und 200 Mio. Euro. Jetzt ist es nicht einmal mehr die Hälfte und die Preise sind im Keller.‘‘
Beispiel: In Den Haag kann man inzwischen 50 Tulpen für fünf Euro kaufen. Manche Blumenhändler haben schon damit begonnen, einen kleinen Blumenstrauß an die wenigen Passanten, die es auf den Straßen und den Einkaufszentren noch gibt, zu verschenken, in der Hoffnung, dass diese dann noch zusätzlich einen Strauß Blumen bei ihnen hinzu kaufen.
,,Ohne Notkredite vom Staat oder Zahlungsaufschüben durch die Banken kommen wir nicht über die Runde. Denn unsere blühende Ware ist verderblich. Sie muss schnell verkauft und transportiert werden können,‘‘ so der Blumenmanager van Schilfgaarde mit sorgenvoller Stimme.
,,Normalerweise wären die Preise für Tulpen und andere Blumen jetzt ,,sky high‘‘ – haushoch. Aber dieses verfluchte Virus macht alles kaputt. Niemand will mehr Blumen kaufen. Der Verkauf ist zusammengebrochen. So etwas habe ich noch nie erlebt,‘‘ sagt der Tulpenzüchter John Schilder, Eigentümer des Tulpenzuchtbetriebes ,,Lopster Kleitulp‘‘ in Loppersum bei Groningen.
,,Unsere Familie züchtet seit mehr als 100 Jahren Tulpen, aber das, was wir jetzt erleben, ist echt der helle Wahnsinn. Niemand will mehr Tulpen haben. Ich muss sie alle wegwerfen. Das ist schade, so schade,‘‘ so der Tulpenzüchter
Wie 1930
John Schilder. Ich habe pro Woche rund 500.000 Tulpen in meinen Gewächshäusern. Die Blumenversteigerung in Aalsmeer will kaum mehr etwas abnehmen. Sie sagen: Du darfst nur noch ein Drittel deiner letzten Lieferung anbieten. Ich habe jetzt schon einen Verlust von etwa 250.000 Euro. Mitte April ist die Saison vorbei. Das ganze Jahr und mein Jahresumsatz sind dann flöten. Es ist wie im Jahr 1930. Damals waren Tulpen auch unverkäuflich.
In der Tat. Die Corona-Viruskrise anno 2020, die dabei ist, eine weltweite schwere Rezession auszulösen, erinnert mehr und mehr an die ,,Große Depression,‘‘ die von den USA ausgehend damals 1929/1930 die Welt erschütterte. Sie ist mit den jüngsten Wirtschaftskrisen 1987 (Black Monday), 2001 (Terror-Anschläge auf New York und Washington am 9. September: 9/11) und 2008 (Finanz- und Eurokrise) nicht vergleichbar. Um im Bild zu bleiben: Uns blüht noch einiges.
Gut: Tulpen braucht man nicht zum Überleben. Aber in diesen düsteren Zeiten, brächten sie doch Freude und Farbe in die Wohnzimmer, wenn man sie noch kaufen könnte, denn die meisten Blumenläden haben inzwischen geschlossen. Nicht in Holland, aber in Deutschland, Luxemburg, Österreich, der Schweiz und anderswo in Europa. Aber Tulpen können auch Leben retten. Den Hungerwinter im Zweiten Weltkrieg 1944/45 haben viele Niederländer nur dadurch überlebt, weil sie Tulpenzwiebeln gegessen haben.
Links:
www.helmuthetzel.com
www.hetzelmedia.com
www.haagsche-salon.com
Tulpen aus Holland: Geschichte:
https://www.holland.com/de/tourist/reiseinspiration/traditionelle-ikonen/tulpen/geschichte-der-tulpen-aus-holland.htm
Keukenhof
https://www.facebook.com/visitkeukenhof/?__tn__=kC-R&eid=ARDISphcNVMs_XqM7MTp75qesIVLV1CO4cV1udkc1WFA4PlMmF_ku6MYTs2zxXHLzid2urxN6U7yVB5R&hc_ref=ARTB5fNjT0oW1HaIRCVv4OrsqY79-M5GsHAI0dJPOpUGIQbvCBBM_CFNTHz2ir3DZtk&fref=nf&__xts__[0]=68.ARD-vxYo5pGlxV_Q-39-3TBdWNukyLb6PaKa7HnhplriI_mpCZferOi6bubRj4-ldc7i-LsSFKaDiCe9zbSqJtiTiKZbhBBikVULntE9C_LgcqUw4W5aBbQW5EcgkPulE8GGThGI2crBTQ58Vaz2Ypzs_B9kXCSLUFjT67EyLU3SmdfV-rk6xn8dyu9s8KFXLtZvZUHt-hAbF0Huh72JLsCsiFaeDN_fqEb2yUdtuu5stJ-2HTs5OpibTN2P06EwOvG-kOB_iFXVtQ2amZuflpFbtawMLqJMsXROw3k-FZDrmI1-M8xBWh0x2ebBaBHTNWZa0jbcLQrQjOCha7PpxzA98EoA82CR6v-ABL7Aq9RdNSkPNJKADWuvZDrBbqxJt7o&brand_redir=626441381105826
/ Textende / Copyright © by HELMUT HETZEL / Den Haag