HM-HETZELMEDIA
Von : H.HETZEL, Den Haag
Datum : 15. 12. 2024
Niederlande/Deutschland/Ernährung
Fleischesser werden zu Flexitariern
Jochem Wolthuis: „Jeder Biss Gemüse macht uns und die Umwelt ein bisschen besser“
„Duitsland schept op“ – „Deutschland tischt auf“
Interview mit Jochem Wolthuis über den deutschen, niederländischen und europäischen Food-Markt, deutsche und niederländische Essgewohnheiten, sein neues Buch und warum Deutsche so gerne Gouda-Käse essen
Mit Wolthuis sprach HM-Herausgeber HELMUT HETZEL
F: Herr Wolthuis, Sie haben ein sehr interessantes Buch über die Essgewohnheiten und den Nahrungsmittelmarkt sowie das Marketing von niederländischen Food-Produkten in Deutschland geschrieben. Im Niederländischen hat das Buch einen zweischneidig-ironischen Titel: „Duitsland schept op“ lautet er. Sie sprechen selbst fließend Deutsch. Wie würden Sie den Titel ins Deutsche übersetzen – mitsamt seiner ironischen Zweideutigkeit und Konnotation?
A: Mit einer deutschen Mutter und einem niederländischen Vater habe ich mir diese Zweideutigkeit erlaubt. Es ist schwierig, den niederländischen Titel „Duitsland schept op“ ins Deutsche zu übersetzen, wegen dieser ironischen Zweideutigkeit. Die wichtigste Bedeutung ist, was die Deutschen auf ihren Teller tun/legen/schöpfen/ servieren/anrichten. Die zweite niederländische Bedeutung des Verbs „opscheppen“ würde man im Deutschen die Verben wie ‚angeben‘, ‚aufschneiden‘ oder ‚prahlen‘ verwenden.
F: Was ist die zentrale Botschaft Ihres Buches?
A: Mit der Erklärung des Titels sind wir schon beim Kern des Buches und zwar versuche ich die Niederländer vor allem für die Bedeutung interkultureller Unterschiede im Lebensmittelmarkt zu sensibilisieren, die sich natürlich auch im Kaufverhalten der Verhalten und somit letztendlich auf dem Teller widerspiegeln.
F: Sie sind selbst ein niederländischer Agrar-Manager und -Experte, der den deutschen Nahrungsmittelmarkt sehr gut kennt. Warum essen viele Deutsche so gerne Gouda-Käse und was sind Ihrer Meinung nach die Lieblingsgerichte der Deutschen?
Weißwurst und Sauerkraut
A: Und was ist das Lieblingsgericht der Deutschen? Weißwurst und Sauerkraut sind doch typisch deutsch, oder? Richtig! Die beiden traditionellen Gerichte stehen immer noch ganz oben auf der Hitliste der beliebtesten deutschen Klassiker. Eine Analyse von Internetrecherchen zeigt zudem, dass neben den deutschen Klassikern auch drei Gerichte aus Italien gut abschneiden. Pizza steht an erster, Lasagne an zweiter und Spaghetti Bolognese an dritter Stelle.
F: Was sind die Unterschiede zwischen den Essgewohnheiten und kulinarischen Vorlieben der Deutschen und der Niederländer?
A: Ein wesentlicher Unterschied zu den Niederlanden besteht darin, dass die warme Mahlzeit in Deutschland traditionell zur Mittagszeit eingenommen wird, also auch am Arbeitsplatz in der Kantine. Eine durchschnittliche niederländische Familie isst abends gegen 18 Uhr gemeinsam zu Abend. Die Niederländer essen fast alle abends warm. Ab 15:00 Uhr ist es in Deutschland üblich, „Kaffee und Kuchen“ zu servieren. In den Niederlanden hingegen gibt es am Ende des Nachmittags die „borrelcultuur“. Die Zeit um 16.00 Uhr wird in den Niederlanden im Allgemeinen mit etwas Herzhaftem und einem Drink assoziiert.
F: Was ist Ihr persönliches deutsches Lieblingsgericht?
A: Mein Lieblingsgemüse sind gekochte Kartoffeln, Sauerbraten únd Rotkohl. Das machte meine Oma im Sauerland für uns. Tolle Erinnerung und toller Geschmack.
Lieber niederlänidsche Bitterballen – pannierte Fleischbällchen
F: Was ist Ihr persönliches niederländisches Lieblingsgericht?
A: Am liebsten esse ich einen échten niederländischen Pfannenkuchen mit Speck und Käse. In den Niederlanden gibt es über 300 Pfannenkuchenrestaurants, die allesamt immer gute Umsätze machen, völlig unabhängig vom Konjunkturbarometer.
F: Essen Sie lieber „Bitterballen,“ (pannierte Fleischbällchen) und „Saté“ oder Bratwurst und Sauerbraten?
A: Bitterballen gerne …
F: Sie schreiben auch über den „Ursprung der deutschen Küche“ – Was ist deren Ursprung? Was ist die typisch deutsche Küche?
A: Im späten 19. Jahrhundert wollte man sich in Deutschland von den starken Einflüssen der französischen Küche distanzieren, die als dominant, dekadent und exzessiv galt. Die deutsche Küche sollte stattdessen bodenständig, einfach und rein sein – die Merkmale der „gutbürgerlichen deutschen Küche“, die noch heute existiert. Aufgrund des Einflusses des Klimas (harte Winter) und der körperlichen Arbeit auf dem Lande wurden oft nahrhafte und kalorienreiche Produkte gewählt…
F: Gibt es auch eine typisch niederländische Küche?
A: Gerne nenne ich hier die neue „Dutch Cuisine“… Dutch Cuisine ist für alle, die nachhaltig leben und essen wollen. Mit den wunderbaren Produkten aus niederländischer Erde bereiten die Köche von Dutch Cuisine überraschende, köstliche Gerichte zu, die auch gut für die Umwelt sind. Die Köche der angeschlossenen Restaurants von Dutch Cuisine kochen nach diesen Grundsätzen. Das bedeutet, dass sie lokal einkaufen, das Angebot der jeweiligen Saison berücksichtigen und nach unserem 80/20-Prinzip kochen. Gemüse spielt die Hauptrolle und ein nachhaltiges Stück Fleisch oder Fisch kommt erst danach. Auf diese Weise sind die Gerichte weniger umweltschädlich und kann mann/sie unbesorgt eine köstliche und gesunde Mahlzeit genießen.
F: Wie beurteilen Sie als Food-Experte die Entwicklung des Nahrungsmittelmarktes in Europa und insbesondere in Deutschland und in den Niederlanden insgesamt?
A: Der Einfluss von Lebensmitteln auf die Gesundheit und das Klima wird den Verbrauchern immer bewusster. Der Trend zur nachhaltigen Ernährung wird ungebrochen anhalten. Neben dem weitgehenden Verzicht auf Fleisch legen immer mehr Menschen Wert auf die regionale Herkunft der Lebensmittel und die Saisonalität der eigenen Ernährung. Das Gleiche gilt für die Transparenz der Lieferkette. Lebensmittelverschwendung und Verpackungsmüll wirken auf viele Verbraucher wie ein rotes Tuch.
F: Müssen wir wegen des Klimawandels alle Vegetarier oder gar Veganer werden und künftig auf ein leckeres Schnitzel oder saftiges Steak verzichten?
A: Nein, niemand muss komplett auf Fleisch verzichten, aber der wachsende Trend zu pflanzlichen Alternativen zeigt, wie vielfältig und lecker die Möglichkeiten sind. Weniger Fleisch zu essen schont Ressourcen wie Wasser und Land, reduziert CO₂-Emissionen und fördert eine ausgewogenere Ernährung – gut für die Umwelt und die Gesundheit!…
Fleischesser werden zu Fexitariern
F: Was sind die aktuellen Food-Trends?
A: Kurz gesagt, werden für die Zukunft folgende Trends vorausgesagt. Fleischesser werden zu Flexitariern. Supermärkte reservieren ganze Regale für vegetarische und vegane Lebensmittel. Das Fast Food von heute ist nicht mehr fettig, sondern pflanzlich, gesund und vollwertig. Alles deutet darauf hin, dass sich unsere Ernährung zum Besseren wandelt, dass sie gesünder und nachhaltiger wird. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn in diesen Zeiten beherrschen andere Themen die öffentliche Debatte: der Krieg in der Ukraine, der Klimawandel und die steigenden Preise. Aber um das Thema Ernährung kommt man nicht herum. Mit der richtigen Ernährung kann jeder von uns nicht nur sein eigenes Leben verbessern, sondern auch das seiner Mitmenschen. Beispiele? Bessere Ernährung bedeutet, dass Kinder und Erwachsene gesünder leben. Bewusstes Essen und Trinken kann Glück und Erfüllung bringen. Biologisch erzeugte Lebensmittel schützen Flora und Fauna. Innovationen in der Lebensmittelbranche führen zu einer höheren Wertschöpfung für mutige Unternehmen. Also zum Thema Ernährung und Lebensmittel können noch viel mehr Bücher geschrieben werden. Mein Buch ist das erste und einzige, dass den deutschen Lebensmittelmarkt erklärt, auch aus interkulturellen Sichtweise.
F: Vielen Dank für das Gespräch.
Infobox:
Zur Person – CV Jochem Wolthuis
Drs. Jochem Wolthuis (54) ist ehemaliger Internationaler Geschäftsführer der
niederländischen Obst- und Gemüsemarketing Agentur und hat viele (preisgekrönte) Frische-Verbraucher-Kampagnen in Deutschland geleitet und initiiert, u.a. die internationale Kampagne „Frische ist Leben“ in Zusammenarbeit mit deutschen Organisationen wie Deutscher Fruchthandelsverband (DFHV) und der Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen (BVEO).
Als Sohn einer deutschen Mutter aus Arnsberg und eines niederländischen Vaters ist er stolz auf den Titel „Botschafter der deutsch-niederländischen Freundschaft“ Seit einigen Jahren hat er Die Frische Society gegründet,, Die Weiterbildung von Fachpersonal, verantwortlichen Managern / MitarbeiterInnen mit tagesfrischem Wissen über Obst und Gemüse im LEH und Foodservice ist seine Berufung. Über diese Arbeit durfte er vergangenes Jahr auf der Nachhaltigkeitskonferenz von Bundesagrarminister Cem Özdemir einen Vortrag halten. Er ist gefragt als Redner auf großen Events der Lebensmittelbranche in Deutschland und in den Niederlanden.
In diesem Jahr feiert er sein 25-jähriges Jubiläum als NL-Korrespondent für die Fachzeitschrift Fruchthandel Magazin. Zudem ist in diesem Jahr sein Managementbuch „Duitsland schept op“ (auf niederländisch) erschienen, um NL- Firmen den deutschen Markt näher zu bringen und zu erklären.
Seit 2018 ist Drs. Jochem Wolthuis der Agrar- und Lebensmittelbeauftragte der östlichen Niederlanden, beauftragt von den Provinzen Overijssel und Gelderland. In dieser Funktion setzt er sich insbesondere mit den Themen Proteinwende, gesunde und personalisierte Ernährung und Kreislaufwirtschaft für eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Niederlanden ein.
Jochem Wolthuis – Das Buch:
„Duitsland schept op“ – Nederland op de (menu)kaart in Duitsland: over eetcultur, afzetmarkt, productie en export”
Zu bestellen unter www.duitslandscheptop.nl
Preis:34,95 Euro
Links:
https://www.duitslandscheptop.nl/
www.duitslanddesk.nl
www.hetzelmedia.com
www.helmuthetzel.com
www.haagsche-salon.com
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