HM-HETZELMEDIA
Von : H.HETZEL, Den Haag
Datum : 8.5.2022
Niederlande/Kultur/Lale Gül
´´Ich werde leben„
Pim Fortuyn-Preis für Meinungsfreiheit an Lale Gül
Buch ´´Ich werde leben´´ in deutscher Sprache bei Suhrkamp erschienen/Film folgt
Lale Gül will die Niederlande verlassen
HM-Gespräch mit Lale Gül
Von HELMUT HETZEL
Den Haag. Sie wird verehrt und gehasst. Sie wird von vielen auf Händen getragen. Manche wollen sie ermorden. Andere schlagen sie für den Nobelpreis für Literatur vor. Sie wurde vom EW-Magazin zur ´´Niederländerin des Jahres 2022´´ ausgerufen. Ihr Name: Lale Gül. Ihr Alter 24 Jahre. HM-HETZELMEDIA sprach mit Lale Gül in Den Haag.
Pim Fortuyn Preis für Lale Gül
Nun wurde niederländisch-türkische Schriftstellerin Lale Gül mit dem Pim Fortuyn-Preis für Meinungsfreiheit ausgezeichnet. Wie der Bruder des am 6. Mai 2002 ermordeten Politikers Pim Fortuyn, Simon Fortuyn, am 20. Todestag seines Bruders Pim bekannt gab, erhält Lale Gül den Preis, weil sie in ihrem Buch ´´Ich werde leben´´ in ´´mutiger Weise über die beklemmenden Verhältnisse in einer islamischen Familie schreibt. Es gibt nur wenige Schriftsteller, die sich trauen, die eigene Kultur und die Religion mit der sie aufgewachsen sind, zu kritisieren,´´ sagt Simon Fortuyn in seiner Laudatio für Lale Gül.
Die 24jährige Lale Gül beschreibt in ihrem autobiografischen Roman das Aufwachsen eines muslimischen Mädchens im Stadtteil Amsterdam West, einem Stadtviertel in dem viele Migranten und viele Moslime leben. Sie beschreibt die Beklemmung und Bevormundung, die sie in einer ultrakonservativen türkischen Muslim-Familie, ihrer eigenen Familie, erlebt. Sie rebelliert mit ihrem Buch ´´Ich werde leben,´´ das soeben beim Suhrkamp Verlag in deutscher Sprache erschienen ist, gegen die beengten und ausschließlich vom orthodoxen Islam geprägten Verhältnisse. Das Buch von Lale Gül ist ein Aufschrei und eine Befreiung zugleich.
Die Unterdrückung der Frauen im Islam
Lale Gül beschreibt ihre Unterdrückung und ihre Indoktrination durch den Islam, insbesondere in der Islamschule der ´´Milli Görüs,´´ die sie von ihrem sechsten bis zu ihrem 17. Lebensjahr besuchen musste und durch ihre Eltern. Sie stellt die Unterdrückung der Frau im Islam an den Pranger. ´´Ich durfte keine Musik hören, keine Filme ansehen, mich nicht schminken. Ich durfte keinen Schmuck oder Jeans tragen. Ich durfte keine Selfies von mir machen. Dass alles wurde mir verboten.„
Sie schreibt und beschreibt in ihrem ersten Roman ´´Ich werde leben´´ ihr noch junges Leben aber auch in wunderschönen Gedichten. ´´Die Zeit heilt, sagen sie. Ich weiß jetzt, dass das gelogen ist. Nachteil eines guten Gedächtnisses ist, dass man öfter als nur einmal leidet. An ein und denselben Dingen.´´
Es ist Lyrik vom Feinsten, die Lale Gül in ihren autobiografischen Roman integriert. Literaturkritiker meinen: ´´Sie hat einen völlig eigenen, einen neuen Stil entwickelt. Sie bereichert die niederländische Sprache und Literatur wie kaum ein(e) zeitgenössischer AutorIn vor ihr. Und: Sie schreibt mit viel Humor. Man kann oft herzhaft lachen, wenn man ihr Buch liest.
Morddrohungen
Aber nach der Publikation ihres Buches bricht die Hölle los. Lale Gül erhält Morddrohungen. Vor allem von muslimischen Fanatikern und religiösen Fundamentalisten.
Sie selbst sagt über ihr Buch, das wochenlang auf Platz eins der Bestsellerliste in den Niederlanden stand:
´´Ich zahle dafür einen hohen Preis. Meine Eltern haben mich verstoßen. Ich erhalte ständig Morddrohungen. Aber ich kann jetzt leben wie ich will. Ich kann mit meinem Freund ausgehen und ihn sehen so oft und wann ich will. Ich kann mit meinen Freunden bis spät in die Nacht in einer Bar Wein trinken. Ich kann mich kleiden, wie ich will,´´ sagt Lale Gül im Gespräch mit HM-HETZELMEDIA.
´´Das ist meine neue Freiheit.´´
Für diese Freiheit zahlt Lale Gül einen hohen Preis, wie sie sagt. Sie muss inzwischen von Bodyguards bewacht werden. Sie fürchtet um ihr Leben. ´´Mein Freund und seine Familie haben Angst um mich. Nun, da mein Buch in deutscher Sprache erschienen ist und demnächst auch in Englisch und in Französisch erscheinen wird, wächst meine Bedrohung. Ich werde die Niederlande wohl verlassen müssen und in einem anderen Land leben, das sicherer ist,´´ sagt Lale Gül. Welches Land? Das will sie nicht verraten. Aus Sicherheitsgründen.
Trotz dieser Bedrohungslage bleibt Lale Gül optimistisch. ´´Ich werde das schon überleben, solange man mich nicht physisch angreift, „ sagt sie. ´´Ich habe die verbale Gewalt einkalkuliert, als ich das Buch schrieb. Aber sie macht mir schon schwer zu schaffen. Fast jeden Tag muss ich neue Anzeigen bei der Polizei erstatten.´´
Vorlesungen über Freiheit
Gerade hielt Lale Gül anlässlich der Befreiung der Niederlande von der Besatzung durch Nazi-Deutschland (1940-1945) am Befreiungstag am 5. Mai 2022 einige Lesungen über ´´die Freiheit.´´
´´Während einer meiner Freiheits-Vorlesungen in Arnheim saßen in der ersten Reihe zwei Männer mit langen Bärten. Sie starrten mich dauernd und bedrohend an. Sie wollten mich einschüchtern. Auch auf anderen Lesungen, die ich gebe, kommen immer wieder Muslime, die mich einschüchtern und bedrohen,´´ berichtet Lale Gül. ´´Aber ich lasse mich nicht mehr einschüchtern. Ich lebe mein Leben. Ein freies Leben. Ein Leben in Freiheit.´´
Ihr erster Roman soll nun sogar verfilmt werden.
Das Buch:
Lale Gül: ´´Ich werde leben,´´ Suhrkamp Verlag, April 2022, Übersetzt von Dania Schürrmann, 349 S., 18 Euro
Links:
https://www.suhrkamp.de/buch/lale-guel-ich-werde-leben-t-9783518472354
https://de.wikipedia.org/wiki/Lale_G%C3%BCl
https://www.youtube.com/watch?v=uQpPtA-Y2Xo
Helmut Hetzel mit Lale Gül – in der Buchhandlung Paagman in Den Haag am 12. April 2022
Die Originalausgabe in Niederländisch
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