HM-HETZELMEDIA
Von : H.HETZEL, Den Haag
Datum : 17.2.2021
Niederlande/Corona
Justiz-Drama in Den Haag:
Neues Notstandsgesetz im Corona-Notstand/Juristisches Chaos in Holland wegen illegaler Ausgangssperre/Parlament muss Ferien unterbrechen/Kafkaeske Zeiten in Holland
Von HELMUT HETZEL
Den Haag. In einem in dieser Form bisher unbekannten dramatischen juristischen Schauspiel ist es der Haager Regierung am späten Dienstagabend in letzter Minute doch noch gelungen, die geltende Corona-Ausgangssperre in den Niederlanden bestehen zu lassen. Das juristische Drama dauerte von 10.30 Uhr morgens bis 20.38 Uhr abends. Dann war klar: Die Ausgangssperre bleibt bestehen.
Aber der Reihe nach: Am Morgen hatte ein Haager Gericht entschieden, dass die seit dem 23. Januar geltende Ausgangssperre von 21 Uhr abends bis 4.30 Uhr morgens unrechtmäßig ist. Um 14.00 Uhr ging die Haager Regierung gegen diesen Richterspruch in Berufung. Um 16 Uhr startete die Berufungsverhandlung. Sie verlief chaotisch. Der Anwalt der Querdenker-Organisation ´´Viruswaarheid,´´ die gegen die Ausgangssperre geklagt hatte, stellte nach einem heftigen Wortwechsel im Gerichtssaal, der von den TV-Sendern live übertragen wurde, gegen die Vorsitzende Richterin Marie-Anne Tan-de Sonnaville einen Befangenheitsantrag. Die musste daraufhin die Berufungsverhandlung unterbrechen. Ein Schiedsgericht musste nun einberufen werden. Es musste darüber entscheiden, ob der Befangenheitsantrag gegen das Berufungsgericht rechtens ist oder nicht. Um 19 Uhr trat das Schiedsgericht zusammen. Es entschied kurz vor 20.00 Uhr, dass das Berufungsgericht nicht befangen ist. Die von der Haager Regierung angespannte Berufungsverhandlung, die zum Ziel hatte, die Ausgangssperre Aufrecht zu erhalten, konnte fortgesetzt werden. Um 20.38 Uhr dann der Richterspruch von Frau Marie-Anne Tan-de Sonnaville, die laut Schiedsgericht nicht befangen war. Er lautete: ´´Es geht hier jetzt um eine Abwägung zwischen den Interessen des Staates und denen von ´´Viruswaarheid.´´ Die Interessen des Staates wiegen schwerer. Die Ausgangssperre bleibt vorerst bestehen. Wir werden das Verfahren aber am Freitag fortsetzen und inhaltlich darüber verhandeln. Die Sitzung ist geschlossen.´´ Punkt, Schluss, aus.
Willem Engel, der Vorsitzende von ´´Viruswaarheid,´´ ist wütend: ´´Sie werden sich dafür verantworten müssen,‘‘ schreit er der Richterin ins Gesicht. Er hat, nachdem er am frühen Dienstagmorgen noch einen grandiosen Sieg vor Gericht feiern konnte, nun doch noch verloren. Die Corona-Ausgangssperre in Holland gilt weiter.
Eine lange Nacht
Nun bricht eine lange Nacht für viele Regierungsbeamte an. Sie haben zwei Aufgaben zu erledigen. Die erste: Sie müssen ein neues Gesetz ausarbeiten, mit dem die Ausgangssperre juristisch legitimiert werden kann. Denn das Gesetz auf dessen Grundlage die Haager Regierung die Ausgangssperre erließ, deckt diese nicht ab. Die zweite: Sie müssen alle Abgeordneten der beiden Kammern des niederländischen Parlaments aus den derzeit in Holland laufenden ´´Krokus-Ferien´´ zurückholen. Sowohl die Abgeordneten des Parlaments, Zweite Kammer, als auch des Senats, Erste Kammer. Sie müssen schleunigst aus dem Urlaub zurückkommen. Beide Parlamentskammern sollen in zwei Sondersitzungen bis zum Freitag ein neues Notstandsgesetz, das noch ausgearbeitet werden muss, verabschieden. Gelingt das bis zum Freitag, dann könnte die in den Niederlanden so ungeliebte und heftig umstrittene Ausgangssperre doch noch im nach hinein juristisch legitimiert werden. Ob dieses Ruck-Zuck-Verfahren und hyperschnelle Polit-Procedere aber legal ist, das ist eine andere Frage. Es wird voraussichtlich noch ein langes juristisches – und politisches – Nachspiel haben.
Draußen auf dem ´´Plein´´ in Den Haag vor dem Parlament ist es nach 21 Uhr am Dienstagabend relativ ruhig. Viele Journalisten sind da. Wenige Bürger oder Demonstranten. Die Journalisten haben eine Ausnahmegenehmigung, dürfen nach 21 Uhr noch draußen sein. Die wenigen Bürger nicht. Eigentlich wollte die Querdenker-Organisation ´´Viruswaarheid´´ hier jetzt ein großes Fest feiern, weil die Ausgangssperre gestoppt werden konnte. Doch das ist nun nicht der Fall. Die Party fällt aus. Aber auch die massiv anwesende Polizei ist nachsichtig. Sie verhängt gegen die widerrechtlich nach der Sperrstunde auf dem ´´Plein´´ anwesenden Bürger keine Bußgelder.
Tauwetter setzt ein. Die geplante ´´Viruswaarheid-Party´´ ist wie der in den vergangenen Tagen gefallene Schnee weggeschmolzen. Neue Demonstrationen gegen die Ausgangssperre sind ausgeblieben. Nur in vielen Ministerien in Den Haag brennt noch Licht. Dort arbeiten die Juristen fieberhaft an einem neuen Notstandsgesetz. Und das alles mitten im Corona-Notstand. Es sind kafkaeske Zeiten in den Niederlanden in dieser Corona-Pandemie – und nicht nur dort.
PS: Frage: Kann eine nach einem Rücktritt nur noch geschäftsführend amtierende Regierung überhaupt noch neue Gesetze erlassen???
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