HM-HETZELMEDIA
Von : H.HETZEL, Den Haag
Datum : 8.7.2023
Niederlande/Regierungskrise
Migrationspolitik wird zum Stolperstein für die Regierung von Mark Rutte/Neuwahlen im November/Internationale Folgen
Von HELMUT HETZEL
Den Haag. „Es ist kein Geheimnis, dass die Koalitionspartner in der von mir geführten Regierung unterschiedliche Auffassungen über die Migrationspolitik haben. Nun mussten wir feststellen, dass diese Unterschiede unüberbrückbar sind. Daher werde ich König Willem-Alexander den Rücktritt der Regierung anbieten.“ Mit diesen Worten kündigte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte (VVD) am Freitagabend in Den Haag den Rücktritt der von ihm geführten Regierung an. Sie bestand aus vier Parteien. Der rechtsliberalen VVD, der linksliberalen D´66, den Christdemokraten CDA und der christlich-calvinistischen Christen Union CU.
Voraussichtlich wird es im November in den Niederlanden Neuwahlen geben. Bis dahin ist die Regierung Rutte noch geschäftsführend im Amt.
Migrationspolitik gescheitert
Die Migrationspolitik war der Stolperstein, über den das Kabinett Rutte IV fiel. Die ständig steigende Zahl der Migranten sollte eingedämmt werden, weil sie nicht mehr bewältigt werden konnte. Das wollten VVD und CDA. Aber D´66 und die stark christlich geprägte Christen Union CU wollten keine radikale Reduzierung der Migranten auf höchstens 15.000 im Jahr, so die Vorgabe in einem neuen Migrationsgesetz. Zum Vergleich: In diesem Jahr kamen bereits 73.000 Migranten in die Niederlande. Im vorigen Jahr waren es 228.000. Zu viele für das geografisch kleine und dichtbevölkerte Holland.
Höchstwahrscheinlich wird der scheidende niederländische Premier Rutte im November erneut als Spitzenkandidat der VVD antreten. Der 56jährige Rutte ist einer der am längsten amtierenden Regierungschefs in der EU und der am längsten regierende Ministerpräsident der Niederlande, die er als Regierungschef bereits mehr als 13 Jahre in vier von ihm geleiteten und verschiedenen Koalitionsregierungen führt. Er hat den Rücktritt der von ihm zuletzt geleiteten Regierung selbst mit erzwungen, wohl mit dem Kalkül, dass er nach Neuwahlen ein neues mehr rechts gerichtetes Kabinett formieren kann. Möglicherweise mit der Bauern-Bürger-Bewegung BBB, die bei den Regionalwahlen im März aus dem Stand heraus zur stärksten Partei in der Ersten Kammer (Senat) des niederländischen Parlaments wurde.
Internationale Dimension
Aber der Sturz der Regierung Rutte in Den Haag hat auch eine internationale Dimension. In zweifacher Hinsicht.
Erstens war diese Haager Regierung Rutte IV einer der wichtigsten Unterstützer der Ukraine. Allein für dieses Jahr sagte sie Kiew Finanz- und Militärhilfen in Höhe von 2,3 Mrd. Euro zu. Die nun zurück getretene Regierung Rutte war auch bereit, den Ukrainern F-16 Kampfjets zu liefern und Ukrainer als F-16-Piloten auszubilden.
ASML
Zweitens sind die Niederlande in der Halbleitertechnologie Weltspitze. Das High-Tech-Unternehmen ASML mit Sitz in Veldhoven bei Eindhoven produziert die besten Systeme für die Herstellung von Halbleitern. Marktanteil: 80 Prozent.
Die kleinsten Chips, die mit der neuesten ultravioletten Lichttechnologie von ASML hergestellt werden können, sind nur fünf bis drei Nanometer groß. Ein Nanometer ist 0,000001 Millimeter. Die chinesische Halbleiterindustrie kann solche ultrakleinen Chips bisher noch nicht herstellen. Die chinesischen Halbleiterproduzenten stellen derzeit meist Chips von mehr als zehn Nanometern her. Diese sind langsamer und haben weniger Speicherkapazität als die mit der EUV- und DUV-Technologie von ASML produzierten Halbleiter.
Ein DUV-Halbleitersystem der ASML kostet übrigens 160 Mio. Euro. Es ist so groß wie ein Nahverkehrsbus.
Die nun zurückgetretene Haager Regierung verhängte gerade – auf Druck der USA – ein Exportverbot für diese avancierten ASML-Chip-Maschinen nach China. Es tritt im September in Kraft.
Wie geht´s weiter?
Nun stellt sich aus geopolitischer Sicht die wichtige Frage: Wird eine neue Regierung in Den Haag die bisherige Politik der massiven Unterstützung der Ukraine und der Technologie-Restriktion gegenüber China fortsetzen?
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